Was ist schön? Und wann ist etwas hässlich? In der Geschichte der Malerei spielt die Frage nach dem Hässlichen eine wichtige Rolle.

Eine Spurensuche zu einem wenig beachteten Thema der Kunstgeschichte, die gerade die Maler der Renaissance und des Barock beschäftigte.

 

Info: Führung in der Gemäldegalerie Alte Meister.

Dauer: 1,5 Stunden.

Preis: 35 € pro Person, Gruppenpreis (ab 4 Personen) 110 € (inkl. MwSt., zzgl. Museumseintritt)

Besucherinformation

Gemäldegalerie Alte Meister, Theaterplatz

Öffnungszeiten: Di-So, 10-17 Uhr. Änderungen an Feiertagen möglich.

Eintritt: 16 €, ab 10 Personen 14,50 €, unter 17 Jahre frei.

Impressionen der Führung

Rundgang Gemäldegalerie Dresden Meisterwerke

Bereits in der antiken Kunst ging es nicht nur um den "schönen Menschen".

Führung Gemäldegalerie Dresden Rubens Raffael Rembrandt

Rubens' Schönheitsideal war bereits in seiner Zeit umstritten.

Führung Gemälde Dresden Alte Meister Rembrandt Vermeer

Im 17. Jahrhunder wurde Rembrandt auch als der "erste Ketzer in der Malerei" bezeichnet.

Führung Gemäldegalerie Alte Meister Höhepunkte Malerei

Was ist "malerisch"?

Ein kleiner Exkurs

Das Hässliche ist der Schatten des Schönen

Wie das Konzept des Hässlichen die Vorstellung von Schönheit prägte 

 

Die Kunst der Renaissance und des Barock wird häufig mit dem Streben nach Harmonie, Perfektion und idealisierter Schönheit in Verbindung gebracht. Doch jenseits dieses Ideals spielt auch die Hässlichkeit – das Unschöne, das Groteske, das Abweichende – eine zentrale Rolle. Sie ist nicht bloß Gegenpol zur klassischen Schönheit, sondern integraler Bestandteil des ästhetischen Diskurses dieser Epochen. Hässlichkeit fungiert als Spiegel gesellschaftlicher, religiöser und philosophischer Vorstellungen und erweitert unseren Begriff von Schönheit selbst. 

Bereits in der Antike wurde Schönheit als ein harmonisches Verhältnis von Proportionen, Symmetrie und Ordnung gedeutet. Die Renaissance griff diese Ideale begeistert auf und entwickelte sie weiter: Die Künstler*innen suchten nach den mathematischen Gesetzen der Natur, um das perfekte Menschenbild zu schaffen – etwa in den Proportionsstudien Leonardos oder den Madonnen Raffaels. Gleichzeitig erkannte man aber auch, dass Schönheit nie absolut und universell ist, sondern stets im Spannungsfeld kultureller, sozialer und persönlicher Wertungen steht. 

In diesem Spannungsfeld erhält die Hässlichkeit eine fast paradoxe Bedeutung: Sie definiert und betont das Schöne, indem sie es kontrastiert. Umberto Eco schrieb: „Das Hässliche ist der Schatten, den das Schöne wirft.“ Ohne das Groteske, das Verstörende, wäre das Erhabene nicht als solches erkennbar. Schon Giorgio Vasari, der berühmte Kunsttheoretiker der Renaissance, würdigte Karikatur, Deformation und groteske Fratzen als legitime künstlerische Mittel. In den moralischen und religiösen Vorstellungen der Zeit wurde Hässlichkeit oft mit Sünde, Verderbnis oder dem Abweichenden gleichgesetzt – doch gerade dadurch wurde sie zu einem kraftvollen Ausdrucksmittel. 

Die Malerei der Renaissance feierte die Schönheit des Menschen, orientiert an Antike und Naturbeobachtung. Dennoch findet sich in den Werken dieser Epoche eine Vielzahl von Darstellungen, die bewusst das Hässliche, Deformierte, ja sogar Abstoßende zeigen. Ein prominentes Beispiel sind die Grotesken von Leonardo da Vinci: Seine Studien missgestalteter Köpfe, Fratzen und deformierter Gesichtszüge sind nicht nur Ausdruck wissenschaftlichen Interesses, sondern auch eine Erforschung der Grenzen menschlicher Erscheinungsformen. Sie stehen den idealisierten Schönheitsstudien kontrastierend gegenüber und erweitern so das Spektrum menschlicher Darstellung. 

Auch in religiösen Bildern wird das Hässliche bewusst inszeniert. Die Darstellungen von Dämonen, Teufeln und Folterknechten – etwa bei Hieronymus Bosch oder in den Höllenszenen von Signorelli – sind geradezu überbordende Galerien des Monströsen. Diese Bildwelten dienten nicht nur der Abschreckung, sondern auch der Veranschaulichung moralischer und theologischer Konzepte: Das Hässliche wird zum Symbol des Bösen, als Mahnung und Warnung zugleich. 

Im Alltag der Renaissance entstanden zudem groteske Karikaturen, die menschliche Schwächen und gesellschaftliche Missstände durch Übertreibung und Verzerrung sichtbar machten. Hier zeigt sich: Das Hässliche ist nicht bloß das Gegenteil von Schönheit, sondern ein Instrument, um Wahrheit, Kritik und Reflexion zu ermöglichen. 

Der Übergang vom Renaissance- zum Barockstil brachte eine neue Dynamik ins Verhältnis von Schönheit und Hässlichkeit. Im Barock wird das Erhabene oft durch das Extreme, das Übersteigerte, das Spiel mit dem Unschönen hervorgehoben. Die religiöse Kunst des 17. Jahrhunderts liebte das Pathos und die Dramatik: Märtyrerszenen, Ekstasen, Visionen, aber auch Zerrbilder und Karikaturen werden mit überwältigender Intensität ins Bild gesetzt. Caravaggio etwa revolutionierte die Malerei, indem er Heilige mit schmutzigen Füßen, Falten und Narben malte; seine Figuren sind oftmals von einem Realismus geprägt, der das Elende, das Vergängliche und das Hässliche nicht ausklammert, sondern gezielt einsetzt, um emotionale Tiefe und Glaubwürdigkeit zu erzeugen. Auch Rubens oder Rembrandt verleihen ihren Porträts Individualität und Wahrhaftigkeit, indem sie Alter, Krankheit oder Makel nicht verstecken, sondern offenbaren. 

Im Barock wird die Hässlichkeit damit Teil des Spiels mit Schein und Sein, mit dem Wechsel von Licht und Schatten, Schönheit und Schrecken. Der Vanitas-Gedanke, das Bewusstsein der Vergänglichkeit allen Irdischen, manifestiert sich in Darstellungen von Schädeln, verwittertem Fleisch und verfallenden Blumen – Symbole, die das Ideal der Schönheit relativieren und an die Endlichkeit gemahnen. 

Weder Renaissance noch Barock betrachteten Hässlichkeit als reines „Scheitern“ des Schönen. Vielmehr ist sie eine ästhetische Kategorie, die bewusst eingesetzt wird, um Wirkung zu erzielen. Das Hässliche kann erschrecken, verstören, aber auch faszinieren und in Bann schlagen. In vielen Gemälden beider Epochen wird Hässlichkeit als narrative, symbolische oder psychologische Strategie genutzt:  zur Intensivierung der Bildaussage (das Abscheuliche verstärkt das Erhabene, das Lasterhafte hebt das Tugendhafte hervor); als Spiegel gesellschaftlicher Realität (Armut, Krankheit, Alter oder Wahnsinn werden als Teil des Lebens dargestellt – eine Absage an reine Idealisierung); zur moralischen Belehrung (das Hässliche wird als abschreckendes Beispiel oder als Warnung vor den Folgen sündhaften Handelns genutzt);  zur humoristischen oder kritischen Überzeichnung (Karikaturen und Grotesken entlarven gesellschaftliche Missstände und menschliche Schwächen) oder als Sinnbild für das Andere, das Unbekannte, das Uneingelöste (das Hässliche eröffnet neue Perspektiven und erweitert die Grenzen der Wahrnehmung). 

Die Kunst der Renaissance und des Barock sieht Schönheit und Hässlichkeit nicht als starre Gegensätze, sondern als dialektisches Paar. Schönheit wird erfahrbar, weil sie sich vom Hässlichen abhebt; das Hässliche erhält Bedeutung, weil es das Schöne sichtbar macht. 

Die Künstler*innen der Renaissance und des Barock loteten die Grenzen des Darstellbaren radikal aus. Sie zeigten nicht nur die ideale menschliche Gestalt, sondern auch das Misslungene, das Gebrochene, das Monströse – als Ausdruck einer umfassenden, vielschichtigen Weltsicht.

So bleibt die Beschäftigung mit der Hässlichkeit in der Kunst jener Epochen auch heute aktuell: Sie fordert heraus, irritiert und inspiriert – und macht sichtbar, wie vielfältig und widersprüchlich unser Verständnis von Schönheit sein kann. 

Museumsführung Dresden Führung Gemäldegalerie Alte Meister