Ein Ei für ein Königreich 

Ein kleines goldenes Ei im Grünen Gewölbe Dresdens erzählt die Geschichte von Kunst und Macht, aber auch von Krieg und Elend. Über die Schattenseiten August des Starken 

 

Zur Ostermesse 1705 in Leipzig herrschte die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Während August für seine Schatzkammer neue Stücke aussuchte, sammelten sich seine Truppen bei Warschau, um für ihn und seine Krone ins Feld zu ziehen. Augusts war als polnischer König war im Zuge des Nordischen Krieges immer mehr in Bedrängnis geraten, ein Gegenkönig war bereits ausgerufen. Sein Ziel war es nun, dessen Krönung zu verhindern. 

Augusts Interesse fand eine auf dem ersten Blick unscheinbare Pretiose: ein goldenes Ei von ca. 5 cm Größe, das beim Öffnen seinen raffinierten Inhalt offenbarte. Zunächst erscheint ein Huhn, das beim Öffnen eine Krone beinhaltet, in der sich wiederum ein Siegelring befindet, das den Wahlspruch trägt: Standalten trotz des Sturms.  

Die kleine Kostbarkeit schien wie für Augusts Situation gemacht. In der christlichen Ikonographie ist das Ei ein Symbol für die Auferstehung und die Krone ähnelte der polnischen Krone, die August 1697 in Dresden hat herstellen lassen. Sie schmückt, zusammen mit dem Krönungsmantel, Reichsapfel und Szepter, die Krönungsfigurine, die August im Stallhof hat ausstellen lassen, um auch den Dresdner August als polnischen König zu präsentieren. Das Ei musste ihm wie ein Versprechen auf das positive Ende seiner Rückeroberung Polens erscheinen. Seine Präsentation in der Schatzkammer ein weiterer musealer Baustein, der seine Herrschaft legitimiert/ sinnlich zum Ausdruck bringt. 

Wie war August überhaupt in diese Situation gekommen? Als Folge seiner Bündnispolitik als polnischer König schlossen Sachsen, Dänemark und Russland verschiedene Bündnisse, die alle einen gemeinsamen Gegner hatten: Schweden. Russland brauchte einen Zugang zur Ostseee, Dänemark eine Wiedergewinnung seines Machteinflusses und Polen die Eroberung Livland. 1700 marschierten ca. 14000 sächsische Soldaten in Livland ein nach Riga vor, konnten sich aber nur teilweise festsetzen. Die Kriegshandlungen verbreiteten sich inzwischen nach Dänemark und Schweden, auch englische und niederländische Truppen waren beteiligt. Insgesamt ca. 70000 Soldaten standen nun auf schwedischer und etwa die gleiche Zahl auf russischer Seite. Karl XII konnte in der Schlacht von Narva die Truppen Peters des Großen schlagen und die russische Armee fast vollständig auflösen.  

August und Peter schlugen Karl, unabhängig voneinander, einen Separatfrieden vor. Aber Karl verfolgte inzwischen eine eigene Strategie. Er verlangte die Absetzung Augusts und die Neuwahl und setzte seinen Feldzug gegen Russen und Sachsen weiter. Der Sejm prostierte gegen die Besetzung mit dem Hinweis, dass es sich nicht um einen Krieg Polens gegen Schwedens, sondern des polnischen Königs handele. 1702 wurde das ca. 30000 Mann umfassende sächsisch-polnische Heer bei Warschau geschlagen. 2000 sächsische Soldaten kamen dabei ums Leben und Karl erbeutete etwa 150000 Taler und das mitgeführte Tafelsilber. Karl eroberte bis 1703 ganz Polen, die sächsische Armee wurde unter großen Verlusten mehrmals geschlagen.  

In Polen entstand nun eine offene Opposition gegen August unter Führung Stanislaus I. Leszczynski, der 1704 unter schwedischem Einfluss zum König gewählt wurde. Er sollte im Juli 1705 zum König gekrönt werden. August versuchte dies zu verhindern und schickte ein sächsisch-polnische Armee aus, die allerdings erneut geschlagen wurde. Am 04. Oktober 1705 wurde Stanislaus I. Leszczynski gekrönt. 

Den Verlust der Krone konnte August nicht akzeptieren und weitere Truppen wurden ausgehoben, nur um wieder von den Schweden besiegt zu werden. Karl ging nun auf Ganze und rückte mit seiner Armee bis nach Sachsen vor. Ohne Truppen, konnte August keinen nennenswerten Widerstand leisten. In Altranstädt unterzeichnete sein Stellvertreter am 24.06.1706 einen Friedensvertrag. Nachdem er auf russischen Druck zu weiteren Kampfhandlungen gegen Schweden gezwungen war und erneut verlor, ratifizierte er im Dezember den Friedensvertrag und verzichtete offiziell auf die polnische Krone.  

Dabei wäre es wohl geblieben, hätte der Krieg zwischen Russland und Schweden nicht zu einer katastrophalen Niederlage Karls geführt. Da nun Polen in russischer Hand lag, kam August wieder ins Spiel und kündigte den Friedensvertrag mit Schweden. Er hatte seine Krone wieder zurück, allerdings nicht aus eigener Kraft. 

Das goldene Ei gelangte ins Grüne Gewölbe und verblieb dort bis 1924, als es an die Wettiner zurückgegeben wurde. 2021 ist es als Dauerleihgabe wieder im Neuen Grünen Gewölbe zurückgekehrt, wo es heute nicht nur von Augusts Kunstgeschmack zeugt, sondern auch von den Kriegen und Feldzügen, die mit dem Erwerb der polnischen Krone verbunden waren. Es demaskiert den gerne bemühten Gegensatz von „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ als ein Produkt fürstlicher Propaganda und neuzeitlicher Nostalgie. Augusts sächsische Zeitgenossen haben weniger enthusiastisch über ihren Herrscher gedacht. Nicht zuletzt aus polnischer Perspektive. Denn durch Augusts Engagement spielte Russland eine einflussreiche Rolle in Polen, die es immer weiter ausbauen würde. Der internationale Druck auf Polen / war in den Blick der umringenden Mächte geraten.