Napoloens Stiefel

Das Verhältnis zwischen Napoleon Bonaparte und dem sächsischen König Friedrich August I., auch bekannt als Friedrich August der Gerechte, war von politischen Notwendigkeiten, gegenseitigen Interessen und einer gewissen Abhängigkeit geprägt. Während der napoleonischen Kriege stand Sachsen zunächst an der Seite Preußens und Österreichs, doch nach der Niederlage bei Jena und Auerstedt 1806 sah sich Friedrich August I. gezwungen, sich Napoleon anzuschließen. Als Anerkennung für seine neue Loyalität erhob Napoleon Sachsen 1806 zum Königreich und Friedrich August zum König. 

In den folgenden Jahren war Friedrich August I. ein treuer Verbündeter Napoleons, insbesondere im Rheinbund, und unterstützte ihn militärisch, etwa im Russlandfeldzug 1812. Allerdings war diese Allianz nicht frei gewählt, sondern oft von politischem Druck und der Sorge um den Erhalt des eigenen Landes bestimmt. Nach Napoleons Niederlage geriet Friedrich August I. in eine schwierige Lage: Viele seiner Gegner forderten auf dem Wiener Kongress die vollständige Entmachtung Sachsens, doch letztlich konnte er mit erheblichen Gebietsverlusten auf seinem Thron bleiben. Das Verhältnis zu Napoleon war also von Loyalität, aber auch von politischem Kalkül und persönlicher Zwangslage geprägt – es spiegelte die komplexe Lage kleinerer Staaten im Zeitalter der napoleonischen Hegemonie wider. 

Die Reitstiefel Napoleons gelangten auf einem außergewöhnlichen Weg in die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813, bei der Napoleon eine entscheidende Niederlage erlitt, ließ der französische Kaiser auf seiner überstürzten Flucht Teile seiner persönlichen Ausrüstung, darunter auch die legendären Reitstiefel, zurück. Sie wurden von sächsischen Soldaten sichergestellt und gelangten als besondere Trophäe in den Besitz des sächsischen Königs Friedrich August I. Im 19. Jahrhundert wurden sie schließlich als historisch bedeutsames Zeugnis der napoleonischen Zeit in die königlichen Sammlungen aufgenommen, die später in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden aufgingen. So sind die Stiefel heute ein bedeutendes Ausstellungsstück und zugleich Symbol für den historischen Wandel jener Epoche. 

Die Stiefel haben die typische Form von Kavalleriestiefeln der Zeit der Napoleonischen Kriege. Der hohe Schaft ist hinten am Rand geschlitzt und überdeckt vorn das Knie und hat einen flachen Absatz. Die leicht und fein gearbeiteten Stiefel trug Kaiser Napoleon I. am 27. August 1813 in der Schlacht auf der Räcknitzhöhe bei Dresden. Den Museumsführern des 19. Jahrhunderts zufolge konnte der Kaiser den rechten Stiefel nur ausziehen, indem die Fersennaht geöffnet wurde, da die Schlacht im Dauerregen stattfand. Eine andere Erklärung ist eine ehemaligen Schussverletzung am rechten Fuß, durch die dieser anschwoll und so die Nahtauftrennung notwendig machte. 
 
Das Stiefelpaar befand sich in der Privatsammlung des 1816 wegen Veruntreuung vom Dienst suspendierten und verurteilten Inspektors des Grünen Gewölbes, Baron Peter Ludwig Heinrich von Block. Der Kunstkenner mit weitreichenden Beziehungen hatte zahlreiche Sammlungen angelegt. Neben kleinformatigen Glasmalereien des 16. und 17. Jahrhunderts sammelte er unter anderem Schmetterlinge, Vögel, Edelsteine, Kupferstiche und Fußbekleidungen. Die Fußbekleidungen und die Glasmalereien gingen nach der Beschlagnahmung in die Dresdner Rüstkammer über.